Gewalt
(von althochdeutsch waltan – stark sein, beherrschen)
Ein wertfreies Urteil für Vorgänge oder Handlungen die durch Ausübung von psychischen oder physischen Kräften auf Menschen, Tiere oder Gegenstände beeinflussend, verändernd oder schädigend einwirkt.
Entsprechend kennen wir mehr oder weniger bedrohliche Begriffe um Gewaltausübung zu bezeichnen. Zum Beispiel Naturgewalt, Staatsgewalt oder Verwaltung. Da sind aber auch Begriffe wie Gewalttäter, Gewaltverherrlichung oder Vergewaltigung.
So wirklich angenehm klingt keines dieser Worte. Selbst bei Verwaltung stellt sich gerne ein klammes Gefühl ein. Wirklich überraschend ist das nicht. Jeder Verwaltungsakt ist eine beherrschende Handlung und schränkt uns persönlich in unserer Freiheit ein.
Gewalt wird immer als wertend empfunden obwohl beeinflussende oder veränderte Handlungen nicht zwingend schädigend sein müssen.
Soziologische Zwischenmenschliche Gewalt
Der soziologische Gewaltbegriff ist der der Die zwischenmenschliche Gewalt ist die die uns die meisten Kopfschmerzen bereitet und überwiegend in Studien untersucht wird. Dabei geht es überwiegend um diese Sparten der Gewalt:
- Sexuelle Belästigung
- Sexuelle Gewalt
- Psychische Gewalt
- Physische Gewalt
Sexuelle Belästigung
Die Sexuelle Belästigung rückte gerade im betrieblichen Umfeld in den vergangen Jahrzehnte in den Fokus. Dabei handelt es sich um eine vom Interesse unabhängige willentliche Einwirkung zum Schaden des Opfers abhängig vom Geschlecht. Was auf den ersten Blick sehr schwammig klingt stellt gleichzeitig eine deutliche Grenze dar. Wir fragen uns also:
Ist dem Opfer ein Schaden entstanden? Und wenn ja wurde der Schaden willentlich herbeigeführt?
Als Schaden kann grundsätzliche jede abwertende Bemerkung betrachtet werden. »Schieb‘ deinen Knackarsch hier rüber« – kann durchaus als Abwertung begriffen werden. Nämlich dann, wenn man seine Person auf ein Körperteil und damit auf ein Objekt reduziert empfindet. Willentlich ist ebenfalls zu bejahen. Ob ein Interesse an der Reduzierung bestand oder ob es sich um ein schlechtes Kompliment handelt spielt nämlich keine Rolle. Die Aussage selbst wurde willentlich getroffen.
»Heut‘ Abend ’ne Flasche Wodka und dann besorg‘ ich’s dir mal so richtig?« Ein ziemlich vulgäres, eindeutiges Angebot. Also eine willentlich geäußerte Willensbekundung. Aber wie sieht es mit dem Schaden aus? Unterstellen wir eine Reduzierung zum Sexobjekt.
»Heute Abend Wein auf meiner Terrasse und dann sehen was noch passiert?« Kaum weniger eindeutig und mit geschliffener Wortwahl. Vom qualitativen Unterschied abgesehen ein identisches Angebot. Aber auch eine Reduzierung? Durch das Angebot alleine ist kein Schaden entstanden.
Wie sieht es jetzt in der symbolischen Bikerbar aus? Mit Wein und Terrasse rechne ich eher damit ausgelacht zu werden. Sexuelle Belästigung beruht also rein auf dem Empfinden des Opfers. Und diese ist Abhängig vom eigenen sozialen Status sowie des gesellschaftlichen Umfeldes.
Lüsterne Blicke können als unangenehm empfunden werden. Manchmal werden diese mit aufreizender Kleidung geradezu herausgefordert und sind sogar erwünscht. Oder um es anders zu sage: Es gibt kein unpassendes Wetter – nur unpassende Kleidung.
Ich halte daher eine objektive Bewertung sexueller Belästigung schlicht für unmöglich. Und gerade deshalb sind Diskussionen ohne konkretes Beispiel zum scheitern verurteilt. Erschwerend kommt hinzu, dass die empfindlichsten Personen die Grenzen definieren und damit tendenziell eine Radikalisierung einhergeht.
Die grundsätzliche Forderung auf Gefühle anderer Menschen Rücksicht zu nehmen ist klar unterstützenswert. Aber hier ein Werkzeug und Totschlagargument zu konstruieren geht zu weit. Erstmalige Überschreitungen müssen toleriert aber nicht akzeptiert werden. Nach einem sachlichen Hinweis auf eine Grenzverletzung sollte die eigene Wortwahl deutlich überdacht werden. Meiner Meinung nach der einzige für alle Beteiligten sinnvolle Weg die individuellen Grenzen abzustecken.
Physische Gewalt
Ein vergleichsweise neues Feld der Untersuchung. Und bislang fehlt noch eine klare Definition. Was ist psychische Gewalt überhaupt?
»Räum‘ dein Zimmer auf! Sonst darfst du nicht raus zum spielen.« Eine Forderung die so ziemlich alle Eltern kennen dürften und eine klare Ausübung von Gewalt.
Die Fragen der Studien können durchaus ein Indikator für Gewalt sein. Nämlich dann wenn es sich um willkürliche Forderungen handelt. Einer kaufsüchtigen Frau die Kreditkarte wegzunehmen kann schon zum Selbstschutz notwendig sein. Genauso wenig lässt der Verdacht auf Untreue einen direkten Rückschluss auf psychische Gewalt zu. Ausgeblendet wird die Möglichkeit, dass es einen Grund für den Verdacht gibt.
Auch hier werden die Grenzen durch extreme Situationen gesetzt. Gewaltausübung wird grundsätzlich negativ betrachtet und der wichtige Faktor der Schädigung völlig ausgeblendet.
Unscharf ist die Betrachtung deshalb weil Verhaltensmuster die eher Frauen zugerechnet werden müssen völlig außen vor bleiben. Da in der FRA Studie auch Frauen mit weiblichen Partnern betrachtet wurden zeichnet sich hier leider ein unvollständiges Bild.
Konkret spreche ich davon, dass Eifersucht provoziert oder Männlichkeit angezweifelt wird. Wünsche und Bedürfnisse werden vorsätzlich missachtet und Vereinbarungen ignoriert. Selbst künstlich zu hoch gesteckte Erwartungen sind Ausdrucksformen von Gewalt.
Auch andere verbale Gewalt durch ständiges Keifen, anhaltende Vorwürfe und Kritik fällt darunter. Zusammen mit überhöhten Erwartungen oder einer Reaktion auf vorherige Provokationen ein perfider Kreislauf.
Das Verächtlich-Machen des Ex-Partners nach einer Trennung wird immer wieder praktiziert. Vorwürfe bei Freunden, Bekannten und Kindern über den gewalttätigen Ex stellen keine seltene Ausnahme dar. Der bewusste Kindesentzug unter dem Vorwand des Kindeswohls stellt die Ultima Ratio dar.
Ein ungeheures Arsenal an Waffen in einem ungleichen Krieg. Die Spuren psychischer Gewalt sind nicht sichtbar und lassen sich nur schwer einem Täter zuordnen.
Ungleich deshalb, weil Männern oft das Verständnis für so subtile aber wirkungsvolle Arten der Gewalt fehlt und meiner Meinung nach einer der Gründe warum dieses Verhalten nicht rechtzeitig als Gewalt erkannt wird.
Unbewusst wird die ausgeübte Gewalt wahrgenommen und kann zu einer Reaktion in Form physischer Gewalt führen.
Physischer Gewalt
Körperliche Gewalt in Beziehungen scheint die Domäne der Männer zu sein. Nach der PKS 2012 entfallen 22,2% der registrierten Fälle von Körperverletzung auf Beziehungen mit Verwandtschaftsverhältnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Über die Verteilung der Geschlechter in diesen Fällen schweigt die PKS.
Das Robert-Koch-Institut kommt in ihrer Studie DEGS1 zu relativ ausgeglichenen Zahlen zu physischen Gewalt in Partnerbeziehungen.
Außerdem scheint sich Gewalt in ihrer Qualität zu unterscheiden:
There is no question that men on average are bigger and stronger than women, and hence they can do more damage in a fist-fight. However according to Professors R.L. McNeely and Cormae Richey Mann, „the average man’s size and strength are neutralised by guns and knives, boiling water, bricks, fireplace pokers and baseball bats.“ Their opinion is endorsed by a 1984 study of 6,200 cases which found that 86% of female-on-male violence involved weapons, as compared to 25% of cases of male-on-female violence.
McLeod, Justice Quarterly (2) 1984 pp. 171-193.
Frauen gleichen die körperliche Überlegenheit des Mannes überwiegend durch den Einsatz von Waffen aus. Daher ist anzunehmen, dass bei physischer Gewalt durch Frauen häufiger die Absicht vorliegt schwerwiegende Verletzungen zu verursachen.
Leider wurde dieser Aspekt vom RKI nicht näher untersucht. Was auch vom Nationale Netzwerk Frauen und Gesundheit beanstandet wird.
Die Stellungnahme selbst postuliert gendersensible Unterschiede in der Gewalterfahrung. Alles in allem eine logische Reaktion auf ein unerwünschtes Ergebnis. Gendersensibel bedeutet in diesem Fall leider nicht, dass auf die Unterschiede vom Geschlecht unabhängig eingegangen wird. Der Fokus liegt auf der erwünschten Bestätigung der allgemeinen These von Frauen als Opfer und Männern als Täter.
[…]Diese Differenz in den Selbstangaben steht im Widerspruch zu anderen Studien, die Frauen eher als Opfer denn als Täterinnen[…]
Die in der Stellungnahme geforderten Kriterien werden darüber hinaus von keiner repräsentativen Studie im Ganzen eingehalten und dienen daher lediglich der Diskreditierung.
Die Qualität der vom RKI angefertigten Studien wird vom Frauennetzwerk jedoch anerkannt:
In der Regel folgt die Gesundheitsberichterstattung des RKIs den jeweiligen Standards der Wissenschaft, berücksichtigt sowohl den state of the art als auch Anregungen aus der Praxis und wissenschaftlichen Community. Die Studien sind im Allgemeinen für ihre Qualität bekannt und liefern verlässliche Daten für Politik und Praxis.
Aber auch im Bereich der physischen Gewalt unterliegt der Gewaltbegriff einem Wandel. Die FRA Studie fragt beispielsweise ob die Befragte geschubst oder gestoßen wurde. Im Kontext einer gewalttätigen Auseinandersetzung eine berechtigte Frage, jedoch ohne große Aussagekraft. Außerhalb eines Streits ist ein solcher Vorfall häufig aber ohne Belang.
Gerade der Kontext wird häufig völlig außen vor gelassen. Was war der Auslöser? Wurden einzelne physische Übergriffe durch psychische Gewalt provoziert?
Kann alleine rücksichtsloses Verhalten schon als Gewaltakt betrachtet werden? Ich fürchte auch hier werden die Grenzen eines objektiven Gewaltbegriffes auf immer mehr vergleichsweise harmlose Ereignisse ausgedehnt.
Befinden durch Gewaltopfererfahrung
Den Zahlen des RKI zufolge geben Männer vergleichsweise häufig an unter den erlittenen Erfahrungen zu leiden. Das Frauennetzwerk beklagt hier eine Unschärfe der Zahlen, da nicht nach schwere der Belastung unterschieden wird. Ins Feld wird geführt, dass schwere Folgeerscheinungen bei Frauen häufiger Diagnostiziert werden.
Außer Acht wird gelassen, dass zum Beispiel Depressionen bei Männern häufig nicht erkannt und daher auch nicht diagnostiziert werden. Männer begehen außerdem rund 3 mal häufiger Suizid als Frauen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Männern in unserer Gesellschaft kaum Schutzräume geboten werden.
Ich bin ja als mehrfaches Opfer häuslicher Gewalt durch Frauen mehrfach der Wohung verwiesen worden.
oder
Trotzdem schlägt sie mich, das ist aber nicht schlimm, denn ich bin ein Mann und gehöre zum herrschenden Patriarchat!
Notwehr gegen schlagende Frauen ist undenkbar. Oft wird selbst Anzeige von den zuständigen Beamten der Polizei erst aufgenommen wenn schwerwiegende Verletzungen zu erkennen sind. Von gering schätzenden Blicken ganz zu schweigen. Ein großer starker Mann der sich von einer Frau in die Mangel nehmen lässt. Ein Treppenwitz!
Die Natur hat uns Männer nicht nur größer und stärker, sondern auch widerstandsfähiger gemacht. Grundsätzlich ja keine schlechte Sache. Jedoch wird die forensische Beweisführung für tätliche Übergriffe zusätzlich erschwert. Psychische Gewalt ist nicht nur unsichtbar sondern stellt häufig kein Delikt dar. Und wenn doch steht es in Partnerbeziehungen strafrechtlich Aussage gegen Aussage.
Als Mann bleibt häufig nur die Wahl zwischen Notwehr und zum Täter werden oder ertragen und möglichst heimlich leiden.
Während es, nicht zuletzt angestoßen durch die Ergebnisse der feministischen Gewaltforschung, bereits eine hohe Aufmerksamkeit und vergleichsweise gut entwickelte Hilfestrukturen für gewaltbetroffene Frauen gibt, sind, trotz der Tatsache, dass Männer insgesamt häufiger Opfer von körperlicher Gewalt werden als Frauen, Gewaltopfererfahrungen von Männern im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs wenig repräsentiert. […] Tatsächlich sollte jegliche Form von Gewaltausübung sozial klar zurückgewiesen und den Gewaltopfern – weiblichen und männlichen – effektive Unterstützung zuteil werden. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass auch Täterinnen und Täter angemessener psychosozialer Hilfe bedürfen.
Durch die Marginalisierung männlicher Gewalterfahrungen liegt der Leidensdruck für Männer deutlich höher. Wo Frauen heute vielfältige Hilfe erhalten müssen Männer mit Spott und Hohn rechnen. Ja selbst die Gefahr vom Opfer zum Täter zu werden ist die Regel und nicht die Ausnahme.